Im letzten halben Jahr bin ich auf Humanocracy und ein paar weitere Bücher gestoßen, die schon jedes als einzelnes sehr interessant sind, die für mich aber zusammengenommen einige neue Einsichten zur Agilität als Ganzes beschert haben. Ich nutze die Konzepte aktiv in meinen Management-Seminaren.
Die möchte ich teilen und dies ist der erste Blog in dieser Reihe.
Der Titel „Humanocracy“ ist einerseits Ambition und Programm, andererseits auch eine Abgrenzung. Das Programm wird mit dem Untertitel deutlich: „Organizations which are fit for the future and fit for human beings“. Die Abgrenzung kommt für mich schon im Titel, in dem ein neuer Begriff geprägt wird, statt sich an einen bestehenden anzuschießen.
Beide Ansprüche sind für mich berechtigt und gut begründet, neben einer klaren Darlegung der Konzepte treten viele Stories darüber, was möglich ist und wie sich Arbeiten mit Respekt auf die Arbeit der Menschen und die Produktivität auswirkt.
Die Autoren starten mit der Beobachtung, dass Regeln und Strukturen, die sie als Bürokratie zusammenfassen, sich in den letzten Jahrzehnten ständig ausgeweitet haben und inzwischen eine unangemessene Dominanz erreicht haben. Sie behindern dadurch eine angenehme Arbeit, Kreativität, Innovation und letztlich auch die Produktivität.
Sie schlagen als Bestandteile der “Humanocracy” ein paar Konzepte vor, die zu einer Organisation mit mehr Beteiligung und gleichzeitig auch mehr Flexibilität führen:
- Ausrichtung an Prinzipien statt an oberflächlichen Erscheinungsformen
- Stärkung von Ownership. Das ist mehr als Beteiligung, es ist Übernahme von Verantwortung und Initiative.
- mehr interne Märkte statt Monopole und Compliance
- Meritokratie
- Communities als informelle Organe schaffen und stärken
- Offenheit und ihre Wirkung nutzen
- mehr Experimente wagen
- das Leben mit Paradoxien, d.h. die Notwendigkeit von Regeln (und damit Bürokratie) auf der einen Seite und das Arbeiten mit informellen, kreativen auf der anderen Seite in Verbindung zu bringen
Die Autoren belegen ihre Thesen mit einer Menge von praktischen Beispielen aus großen (amerikanischen) Organisationen. Interessant ist daran, dass die Beispiele gerade aus Organisationen so gut wie alle nicht aus IT Bereichen kommen.
Was ich mitnehme
- die Beispiele und auch die Beschreibungen zeigen, wie man viele verschiedene Ansatzpunkte nutzen kann, um Strukturen aufzubauen, die „gut sind für menschliche Wesen”. Sie sind ein richtig starker Beleg dafür, dass Innovation von überall her anfangen kann.
- Die Ideen zum Starten jetzt ermutigen dazu, jetzt anzufangen. Sie stellen dem klassischen Modell, von oben nach unten eine Veränderung durchzuziehen, ein „hack your organization“ entgegen. Sie geben dem Leser eine lesenswerte Liste von konkreten Ideen für erste Schritte mit.
- Das Management-Modell wird als ganzheitliche Verantwortung beschrieben, ohne die Unterscheidung zwischen Leadership und Management (die sie als Hype bezeichnen). Ich finde die Unterscheidung nach wie vor wichtig, aber den Hinweis, dass es sich um eine ganzheitliche Aufgabe – und nicht nur für Führungspersonal – handelt, nehme ich als Lackmustest für meine Unterscheidung mit.
Wie kann man Humanocracy praktisch nutzen
Neben der tollen durchgängigen Sicht auf Organisationen hat es auch viele direkte Anknüpfungspunkte für die Arbeit:
- Man kann eine selbsteinschätzung der Organisation zu ihrem BMI machen, ihrem Bürokratie-Massen-Index und sich Ideen für Hotspots und geeignete Ansatzpunkte holen
- Man kann die konkreten Ideen zu den einzelnen Themen (z.B. Meritokratie im Kapitel “The power of meritocracy”) nutzen. Sie sind bis auf Spiegelstriche heruntergebrochen – ich sage nicht Checklisten, es sind Ideenlisten.
- Man kann sich die Sicht eines “Hackers” zu eigen machen, also von jemand, der mutig Experimente in seinem Bereich startet, auch wenn er (noch?) keine Erlaubnis dazu hat.
Drei Management-Bücher, die mich beeinflusst haben
Im letzten halben Jahr bin ich auf ein paar Bücher gestoßen, die schon jedes als einzelnes sehr interessant sind, die für mich aber zusammengenommen einige neue Einsichten zur Agilität als Ganzes beschert haben.
Das erste ist „Humanocracy“ von Gary Hamel und Michele Zanini. Es ist neu, und ich bin schon seit langem ein Fan von Gary Hamel. Das kam vor allem über seinen wunderbaren Vortrag auf YouTube „The Future of Management”.
Das zweite Buch, “The infinite Game” von Simon Sinek entdeckte ich ganz banal in den Empfehlungen, die Amazon bei jedem Kauf anzeigt. Simon Sinek kenne ich durch sein Konzept “The golden Circle”, auch bekannt als “Start with Why”, das ich regelmäßig verwende, sowohl als Werkzeug für meine eigene Arbeit als auch als wichtigen Baustein in meinen Leadership Trainings. Er hat viele Vorträge dazu auf Youtube; ich empfehle die ersten sieben Minuten von „Most Leaders Don’t Even Know the Game They’re In“ – die sind nicht vollständig, aber reichen die Sucht nach mehr auszulösen.
Das dritte Buch, “From Good to Great” von Jim Collins, lagerte schon lange in meiner Inbox, solange dass ich es schon fast vergessen hatte. Es ist tatsächlich schon recht alt, es stammt aus dem Jahr 2001, aber gerade dadurch hat es für mich eine besondere Relevanz entwickelt: es ist keins der “me too” Bücher, und es macht deutlich, dass die Thesen des Buchs auf der Basis von langer harter empirischer Arbeit entstanden sind. Deshalb war es für mich eine “zweite Sicht”, die einige Begriffe und Konzepte aus der Agilität schärfer darstellen oder in ein neues Licht rücken.